"Die Vögel sind unsere Brüder und Schwestern. Sie sind in ihren kognitiven Leistungen ähnlich erfolgreich wie wir Primaten, auch wenn sie das mit einem völlig anders entwickelten Gehirn erreichen." (Onur Güntürkün, Leiter der Bochumer Biopsychologie)
Hier möchte ich einige Geschichten mit Wildvögeln erzählen, die ich größtenteils selbst erlebt habe. Sie zeigen, dass auch Wildvögel, sofern sie Menschen nicht als Feinde betrachten bei deren Anblick sie an nichts anderes denken als an panische Flucht, ein ganz besonderes Verhältnis zum Menschen entwickeln können. Es geht aber hier nicht um handaufgezogene und dann ausgewilderte, also mehr oder weniger fehlgeprägte Wildvögel, sondern um adulte Wildvögel, die den Menschen offensichtlich nicht nur nie als Feind kennengelernt haben, sondern teilweise sogar ausgesprochene Spezialisten im Umgang mit Menschen geworden sind.
Oft wird ja davon ausgegangen daß die einzige und auch auch natürliche Beziehung von Wildvögeln zu Menschen die ist möglichst jeden näheren Kontakt zu meiden, möglichst nicht gesehen zu werden und vor allem den Nistplatz geheim zu halten. Daher auch die oft gehörte Empfehlung und sogar gesetzlich verankerte Vorschrift Wildvögel am Nistplatz keinesfalls zu stören, sie könnten ja die Brut aufgeben. Für Vögel die abseits von menschlichen Siedlungen brüten, mag das ja durchaus zutreffen, ganz anders schaut es jedoch bei den Kulturfolgern aus, also Wildvögeln die einem engen Kontakt mit Menschen nicht abgeneigt sind, nicht nur weil sie überwiegend positive Erfahrungen damit gemacht haben sondern auch die Vorteile zu schätzen wissen die mit diesen Kontakten verbunden sind. So sind z.B. Alpendohlen sicher keine Kulturfolger, trotzdem gehören sie mit zu den zahmsten Wildvögeln überhaupt, vermutlich weil sie auf Grund ihrer Lebensweise noch nie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Ein Bergwanderer der auf einem Gipfel in den Alpen seine Brotzeit auspackt wird ja von diesen Vögeln geradezu belagert. (siehe auch: "Eine schlaue Alpendohle")
Dass eine Amsel in einem Blumentopf auf einer Terrasse oder einem Balkon brütet ist daher auch kein Versehen oder eine Akt der Verzweiflung, weil eben kein besserer Brutplatz zu finden war, sondern sicher eine durchdachte Handlung, denn in der Regel bietet so ein Brutplatz nicht nur einen hervorragenden Witterungsschutz sondern auch eine höhere Sicherheit als ein Brutplatz in der freien Natur.
Zwischen der Denkweise von Wildvögeln und Menschen ist meiner Meinung zwar ein gradueller aber kein prinzipieller Unterschied, d.h. auch Wildvögel wissen sehr wohl alles zu schätzen was ihr Leben einfacher und sicherer macht. Nicht die viel beschworene sowieso nur theoretisch vorhandene unbegrenzte Freiheit ist daher das wichtigste im Leben eines Wildvogels, sondern ein möglichst einfaches und sicheres Leben.
Diese Schlußfolgerung ziehe ich nicht nur aus den Erfahrungen von 3 Jahrzehnten Amazonenhaltung (Amazonen sind ja anerkanntermaßen keine domestizierten Vögel), sondern auch aus Erlebnissen mit Wildvögeln die ich früher mehr oder weniger als Zufallsereignisse gesehen hätte, die ich aber inzwischen als einen Beweis für die Intelligenz auch kleinerer Wildvögel sehe, auch wenn sie sicher nicht an das heranreicht was Rabenvögel oder Großpapageien in Sachen Intelligenz so drauf haben.
Ich glaube, daß diese Erkenntnis durchaus eine große Hilfe für Wildvögel sein kann. Es muß nicht immer das große Biotop sein das das Überleben einer gefährdeten Vogelart sicherstellt, oft genügen auch gezielte Hilfen an entscheidenden Stellen. Besonders problemlos werden solche Hilfen dann angenommen, wenn ein gutes Vertrauensverhältnis zu Menschen vorhanden ist. Die panische Flucht von Wildvögeln vor Menschen ist kein Naturgesetz (Stichwort „natürliche Scheu“), sondern sie resultiert aus der Summe der schlechten Erfahrungen die sie seit vielen Generationen mit Menschen gemacht haben. Wildvögel nehmen menschliche Hilfe gerne an wenn sie den Wert dieser Hilfe erst mal erkannt haben. Einziges Risiko dieser Hilfe ist meiner Meinung nach allenfalls, daß eine Vogelpopulation zu stark zunimmt (wie das beispielsweise bei Stadttauben der Fall ist). Dieses Risiko einzugehen ist aber verglichen mit dem Risiko des Aussterbens einer Vogelart sicher das kleinere Übel.
Dass aber der Charakter oder die Lebenstüchtigkeit einer Vogelart nachhaltig darunter leidet, weil die Futtersuche zu einfach wird oder Brutplätze zu sicher sind, dieses Risiko halte ich eher für theoretisch (Beim Schutz des Weißstorches ist das ja ein heißdiskutiertes Thema: soll etwa bei Nahrungsmangel zugefüttert werden oder nicht). Sollte eines Tages wieder mehr Platz für Wildvögel zur Verfügung stehen, weil z.B. ausreichend Naturschutzgebiete oder Nationalparks eingerichtet wurden oder weil die Anzahl der Menschen auf diesem Planeten wieder abnimmt, so sind die Wildvögel sicher in der Lage sich dieser neuen Situation anzupassen.
Eine Amsel in der Küche
Eine schlaue Alpendohle
Ein Höckerschwan weiß sich zu helfen
Hungrige Wasservögel
Das Buntspechtweibchen
Fürsorgliche Amselmutter
Im Alter von 13 oder 14 Jahren hatte ich mein erstes besonderes Erlebnis mit einem Wildvogel. Damals fand ich am Straßenrand eine erwachsene Amsel, sie war so geschwächt dass sie nicht einmal zu Fuß fliehen konnte. Eigentlich wollte ich sie gar nicht mitnehmen, denn ich sah keine Chance diesen Vogel wieder aufzupäppeln. Ich nahm sie dann aber doch mit nach Hause, denn ich brachte es nicht übers Herz, sie einfach hilflos am Straßenrand liegen lassen.
Da die Amsel nicht in der Lage war selbst zu fressen mußte ich sie füttern, hatte aber natürlich erst mal keine Ahnung wie ich das anstellen und vor allem was ich füttern sollte. Das einzige was mir schließlich einfiel war wohl auch das einzig richtige. Die Amsel brauchte sofort verfügbare Energie und Flüssigkeit. Also kaufte ich Traubenzucker, löste ihn in Wasser auf und flößte ihr diese Mischung mit einem Löffel ein.
Das Wunder geschah, die Amsel überstand die Nacht und war nach 2 Tagen wieder soweit das sie selbständig fressen konnte. Einziges Futter, das sie aber sehr schätzte, waren Rosinen. Die Amsel hatte dann ständigen Freiflug in der Küche und ich war immer wieder erstaunt wie selbstverständlich sie mit diesem ungewohnten Lebensraum zurechtkam und ohne jede Scheu vor Menschen auf dem Küchentisch ihre Rosinen pickte. Vielleicht war ihr ja doch irgendwie bewußt wem sie ihr Leben verdankte. Inzwischen weiß ich aber, dass gerade die Amseln in den Städten von Haus aus Menschen gegenüber ausgesprochen zutraulich sind, ganz im Gegensatz zu den Amseln auf dem Lande, die zwar gerne in die Gärten gehen, aber eine Fluchtdistanz von mindestens 20 Metern haben. Wir hielten zu dieser Zeit 2 Wellensittiche die ebenfalls in der Küche untergebracht waren und wegen unseres Gastes im Käfig bleiben mußten. Als die Amsel wieder einigermaßen fit war, war ihr Lieblingsplatz der höchste Punkt eines Zieraufsatzes unseres Küchenbüffets (Einbauküchen gab es damals noch nicht). Natürlich hätte ich zu gerne gewußt, wie sich Wellensittiche und Amseln so vertragen, also ließ ich die Wellensittiche dann doch mal aus dem Käfig als die Amsel auf ihrem Stammplatz saß. Die Wellensittiche hatten offensichtlich doch einen gewissen Respekt vor der Amsel, sie flogen zwar auch das Küchenbuffet an, ließen sich aber an der rechten und linken Ecke nieder, die Amsel saß also genau in der Mitte. Wer Wellensittiche kennt weiß, daß es sich um ausgesprochen kontaktfreudige Vögel handelt, die Amsel interessierte sie sichtlich. So begannen sie seitlich trippelnd sich der Amsel anzunähern, jeder machte einige Schritte und blieb dann stehen und wartet bis der andere nachzog. Auf diese Weise blieb der Abstand der beiden zu der Amsel immer jeweils in etwa gleich, wurde aber stetig geringer. Die Amsel ignorierte diese Annäherungsversuche und blieb auf ihrem Platz sitzen und zwar auch dann noch als die Wellensittiche rechts und links neben ihr auf Tuchfühlung saßen. Als allerdings dann einer der Sittiche in typischer Sittichmanier versuchte mit der Amsel zu schnäbeln wurde es ihr dann doch zu viel. Mit aufgerissenem Schnabel und einem Ton den ich bei Amseln noch nie gehört hatte fauchte sie die beiden Sittiche an und flog dann weg. Jetzt war ich sicher, die Amsel war wieder gesund und reif für die Freiheit. Am nächsten Tag mußten die Wellensittiche im Käfig bleiben, die Amsel bekam noch ein Rosinenfrühstück dann öffnete ich das Küchenfenster. Es dauerte nur wenige Sekunden und die Amsel flog mit kräftigen Flügelschlägen und einem lautem Jubelruf in die Freiheit.
Vor meinem Umzug aufs Land wohnte ich in einem größeren Dorf in der Nähe von München, die Amseln hier waren vom Verhalten her die typischen "Stadtamseln". Speziell beim Umgraben von Beeten folgten sie mir auf Schritt und Tritt, konnten sie doch hier ohne großen Aufwand immer wieder einen Regenwurm zu ergattern. Bevorzugter Brutplatz war eine Thujenhecke direkt neben der Terrasse. Auf besagter Terrasse saßen wir beim Nachmittagskaffee als eine Amselmutter mit 3 Jungvögeln, die ihr im Gänsemarsch folgten, unsere Aufmerksamkeit erregte. Zielsicher und völlig ungeniert steuerte sie das am Ende der Terrasse befindliche Gewächshaus an, dessen Türe offen stand. Hier hatte ich Monatserdbeeren gepflanzt, von denen die ersten bereits reif waren. Die Amselmutter lies sich von den fasziniert zuschauenden Menschen in keiner Weise stören, marschierte mit den Jungvögeln ins Treibhaus, pflückte zielsicher die reifen Beeren und füttert damit ihren Nachwuchs. Erst als alle reifen Beeren abgeerntet waren, verließ sie mit ihren Kindern das Treibhaus um im Garten weiter nach Futter zu suchen. Zu dieser Zeit war der Garten für Amseln ein kleines Paradies, keine Katze störte die Idylle, Raben und Elstern waren noch nicht eingewandert, die sorgten dann wenigen Jahren später dafür dass kaum noch eine Amselbrut erfolgreich war.
Damals als ich diese Fütterung im Treibhaus erlebte, dachte ich noch allen ernstes, dass Vögel ruhig dasitzende Menschen gar nicht bewußt wahrnehmen. Speziell die Feldsperlinge, die jetzt zahlreich meinen Garten bevölkern, haben mich aber eines besseren belehrt. Sie registrieren genau ob man im Garten arbeitet oder versucht sie zu beobachten. Wenn sie beispielsweise den Nistplatz anfliegen bemerken sie sofort, wenn man die Arbeit unterbricht und einen Blick in ihre Richtung wirft. Selbst kurz vor der Landung machen sie dann wieder kehrt, um ja nicht den Nistplatz zu verraten. Sie haben also auf einen anwesenden Menschen immer ein waches Auge, lassen sich aber nicht stören, solange man in die Arbeit vertieft ist.
Die Alpendohlen haben mich schon immer sehr beeindruckt, die Bewunderung für diese Vögel hat sich noch verstärkt nach einem ganz besonderen Erlebnis vor einigen Jahren. Wie üblich teilte ich meine Gipfelbrotzeit mit den Dohlen und warf ihnen kleine Wurst und Käsestücken hin die sie meist schon im Flug schnappten, teilweise aber auch der Hand nahmen. Beim Versuch von einer Salamischeibe ein Stück abzureißen zog ich versehentlich die ganze Wurst aus der Semmel, saß nun da in einer Hand die Semmel in der anderen die Salami und suchte nach einer Möglichkeit die Semmel (für Nichtbayern: Brötchen, Schrippe, Rundstück) abzulegen um doch noch ein Stück von der Wurst abzureißen. Einer Dohle war dies nicht entgangen, sie schaute mich daher sehr erwartungsvoll an. Ich schaute sie, nicht ohne eine gewisse Überheblichkeit, auch an und dachte „wenn du nun glaubst, du bekommst die ganze Salami bist du aber im Irrtum“. Der Dohle war offensichtlich sofort klar, dass ich sie nur mit einem kleinen Stückchen Wurst abspeisen wollte. Sie zögerte daher keine Sekunde, flog los und schnappte sich die Wurst so schnell dass ich nicht die Spur einer Chance hatte zu reagieren. Da ich die Hand mit der Wurst dicht neben dem Kopf hatte, bekam ich von ihrem Flügel noch eine Ohrfeige verpaßt, wobei ich dem Vogel hier keine böse Absicht unterstellen möchte, sondern eher davon ausgehe, daß dies die Folge des etwas gewagten Flugmanövers war.
Ich halte das Verhältnis von den Alpendohlen zum Menschen für fast einmalig im Reich der Vögel (allenfalls vergleichbar mit dem Verhalten von Vögeln an speziellen Fütterungsplätzen in Schutzgebieten, wie beispielsweise der Loris in Australien), vielleicht sogar im gesamten Tierreich. Denn anders als Vögel die man schon als teildomestiziert bezeichnen muß, wie die Wasservögel in einem innerstädtischen Park oder die Tauben auf dem Markusplatz in Venedig, sind es ja wirklich echte Wildtiere. Vermutlich kommt dieses spezielle Verhältnis dadurch zustande, dass sie nie schlechte Erfahrungen mit Menschen machen mußten, denn ihr Lebensraum liegt fernab von dem des Menschen, auch dürften sie weder als Nahrung noch als Trophäe je von Interesse gewesen sein. Außerdem machten sie wohl ausnahmslos mit Menschen Bekanntschaft die sich an ihren Flugkünsten und ihrer Intelligenz erfreuten. Sie hatten daher wohl nie das was man so gerne als „natürliche Scheu der Wildtiere“ bezeichnet. Eigentlich ist das Fehlen dieser „natürlichen Scheu vor Menschen“ durchaus natürlich für Tiere die vom Menschen nie etwas zu befürchten hatten, leider ist das aber nur selten der Fall. Um so schöner ist es daher, dass es solche Ausnahmen wie bei den Alpendohlen gibt. Ich glaube auch, dass so ein Verhältnis zum Menschen auch mancher bedrohten Vogelart das Überleben wesentlich erleichtern könnte und dem Status als reiner Wildvogel sicher nicht schadet.
Ein Erlebnis mit einem Höckerschwan hat mich ebenfalls nachhaltig beeindruckt hat. Es war an einem Baggersee am Inn, an dem ich bei einer Radtour eine Pause in Ufernähe einlegte. Sofort kamen einige Enten angeschwommen zu denen sich später noch ein Schwan gesellte. Natürlich teilte ich meine Brotzeit sehr großzügig mit den Wasservögeln. Nur der Schwan erwischte absolut nichts, denn Enten sind ja bekanntlich wesentlich flinker als so ein Schwergewicht. Der Schwan wußte sich aber zu helfen, denn plötzlich stieg er aus dem Wasser, marschierte auf mich zu und fauchte mich an. Das sah schon recht bedrohlich aus, man überlegt sich da schon, ob es nicht besser wäre jetzt rasch einen geordneten Rückzug anzutreten. Mir war aber eigentlich klar, das dies keine Bedrohung sein konnte, sondern nur eine höfliche Aufforderung ihm auch etwas abzugeben, ein Schwan hat schließlich kein so vielfältiges Repertoire an Lauten zur Verfügung wie manch andere Vögel. Ich gab ihm dann alles was ich noch hatte, am Ende hatte ich wohl ¾ meiner Brotzeit verfüttert. Erst als er dann offensichtlich einigermaßen satt war traute ich mir ein Foto zu machen, vorher hatte ich schon gewisse Bedenken er könnte mir auf die Hand oder die Kamera losgehen.
Wasservögel sind ja eines der Musterbeispiele für zahme Wildvögel, vor allem in innerstädtischen Parks. So wurde heuer schon erwogen im Englischen Garten in München die Anzahl der Wasservögel zu reduzieren , da sie inzwischen einen Teil der Liegewiesen am Kleinhesseloher See für sich beanspruchten. Es wurde an Abschuß gedacht oder an Entfernen der Eier. Eigentlich war da aber gar kein Problem wenn man akzeptiert, dass die ufernahen Wiesen das feste Revier der Kanada- und Graugänse sind, kein Mensch hat diesen Bereich (aus naheliegenden Gründen) noch als Liegewiese benutzt. Der weitaus größte Teil des Rasens blieb aber immer noch den Menschen. Wie jetzt genau verfahren wurde weiß ich aber nicht, ich kenne nur das was vor der geplanten Aktion veröffentlicht wurde.
Füttern von Wasservögeln kann schon ein eindrucksvolles Erlebnis sein wie das nachstehende Bild aus dem Englischen Garten in München zeigt. Ein kleines Mädchen wurde dabei beim Füttern immer dichter von den Wasservögeln umringt. Irgendwann war dem Mädchen die Situation dann doch nicht mehr ganz geheuer, denn plötzlich fing es an zu rufen „weg, weg, weg“, fuchtelte mit den Armen herum und räumte eiligst das Feld. In einem Forum habe ich auch schon gelesen dass auch jemand die Flucht ergriff und dabei von den Wasservögeln verfolgt wurde.
Bemerkenswert bei meinem Besuch am Kleinhesseloher See war die Tatsache dass die Eltern der Gössel alle Artgenossen die den Jungen zu nahe kamen vertreiben, Menschen dagegen durften an den Nachwuchs beliebig nahe ran (Um eine Handaufzucht zu vermeiden, habe ich ja die gemeinsame Aufzucht mit den Elterntieren bei meinen Amazonen auch schon erfolgreich praktiziert). Die Vögel haben also absolutes Vertrauen zu Menschen. Das letzte Bild zeigt den Bereich zwischen Wasser und Fußweg, in diesem Bereich halten sich Vögel bevorzugt auf, wenn sie an Land gehen. Die Liegewiese wird vor allem zum Grasen aufgesucht.
Die Buntspechte bescherten mir dann heuer im Sommer ein wirklich bemerkenswertes Erlebnis. Während Spechte bisher mein Futterhäuschen nur im Winter besuchten, kam diesmal ein Buntspechtweibchen mehrmals täglich um sich mit den Haferflocken vollzuschlagen. Mir kam das etwas merkwürdig vor, denn eigentlich sollte das Weibchen doch jetzt irgendwo im nahen Wald brüten und dort in der näheren Umgebung der Nisthöhle sein Futter suchen. Ich vermutete daher, dass es sich um ein nicht verpaartes Jungtier vom letzten Jahr handeln müsse. Das Spechtweibchen war ziemlich scheu und flog, wenn ich im Garten auftauchte, meist sofort Richtung Wald, sein Erscheinen kündigte es allerdings immer mit dem kaum zu überhörenden Buntspechtrufen „Tschik, Tschik“ an. Ich jätete im Garten Unkraut und war sehr in meine Arbeit vertieft als mir irgendwann die Spechtrufe auffielen, diesmal waren sie allerdings nicht kurzzeitig wie sonst, sondern anhaltend. Da ist wohl nichts mehr im Futterhäuschen vermutete ich, wollte aber meine Arbeit nicht unterbrechen denn jetzt dachte ich mal ausnahmsweise so wie manche extreme Vogelschützer die die Ganzjahresfütterung ablehnen. Ein Specht findet um diese Jahreszeit wirklich problemlos genug Futter. Wenn er Haferflocken wirklich so schätzt, sollte er eben warten bis ich nachfüllte.
Anscheinend wollte das Spechtweibchen aber nicht warten und ich war wirklich völlig perplex als es plötzlich auf dem Blutpflaumenstrauch saß, der neben meinem Kleingewächshaus steht. Aber nicht irgendwo im Geäst saß es, sondern etwa ½ Meter über dem Boden, dort wo noch keine Äste sind, etwa 5 Meter von mir entfernt. Da gab es keinen Zweifel, ich sollte es sehen und natürlich ließ es seine Rufe ertönen und schaute mich dabei an. Scheuer Waldvogel? Was war denn in die gefahren! Früher hätte ich das alles für irgend einen merkwürdigen Zufall gehalten, inzwischen weiß ich aber, das war kein Zufall, ich wurde hier ganz kräftig beschimpft.
Klar dass ich nun meine Arbeit unterbrach und das Vogelhäuschen, das wie vermutet leer war, mit Haferflocken auffüllte. So herrschte dann wieder Ruhe im Garten und hatte Zeit über das Verhalten des Vogels nachzudenken, einen Reim konnte ich mir allerdings nicht drauf machen. Mit einer dicken Made können doch Haferflocken, auch wenn sie mit Öl getränkt sind, nicht annähernd konkurrieren.
Einige Tage später klärte sich dann alles auf, denn am Vogelhäuschen erschien nämlich nicht ein Specht sondern ein Elternpaar mit 2 Jungtieren. Das war es also: das Spechtweibchen hatte die Haferflocken als ideales Aufzuchtfutter für seinen Nachwuchs entdeckt. Die Wegstrecke zu diesem Futter war vielleicht etwas weiter, dafür war es aber eine sehr sichere Futterquelle, im Zweifelsfall konnte man sich sogar beschweren wenn der Nachschub ausblieb. Wenn es also darum geht den Nachwuchs durchzubringen, dann wird auch ein relativ scheuer Waldvogel schon mal etwas zutraulicher. Vor allen weiß er aber auch genau, daß ein Mensch für das Futter im Futterhäuschen zuständig ist und vermutlich weiß er sogar genau, welcher.