Großpapageien sind zweifellos ganz besondere Heimtiere, allein schon auf Grund ihrer hohen Lebenserwartung, die oft nur wenig unter der des Menschen liegt, bei einigen Arten wie beispielsweise Kakadus sogar in der gleichen Größenordnug. Bei Amazonen rechnet man mit einer Lebenserwartung von etwa 50 Jahren. Oft hört man das Argument, daß Papageien Wildtiere und deshalb für die Haltung in Haus oder Wohnung völlig ungegeignet seien. Erfüllt man jedoch alle Ansprüche der Vögel, so bleibt der einzige Unterschied zum Leben in freier Natur die künstliche Umgebung. Damit haben aber Papageien auf Grund ihrer Intelligenz der daraus resultierenden Anpassungsfähigkeit keine Probleme. Viele wildlebende Vögel wie beispielsweise die Tauben oder Sperlinge haben ja ganz aus freien Stücken eine künstliche Umgebung als Lebensraum gewählt, weil sie die Vorteile die dieser Lebensraum bietet erkannt haben und zu schätzen wissen. Auch für Tiere ist eben Sicherheit und Nahrung wichtiger als grenzenlose Freiheit die ja sowieso nur theoretisch existiert. So ist die scheinbar grenzenlose Freiheit eines Zugvogels genaugenommen nichts anderes als ein Zwang, nämlich der Zwang zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet hin- und herwechseln zu müssen, wenn er überleben und sich erfolgreich fortpflanzen möchte. Dass Zugvögel dies in etwa auch so sehen beweist die Tatsache, dass sie gerne auf ihre riskante Reise verzichten, wenn sich eine entsprechende Möglichkeit bietet (z.B. wenn der Klimawandel das Überwintern im Brutgebiet ermöglicht oder als Kulturfolger)
Etwas extrem ausgedrückt könnte man sagen, wenn man Großpapageien vor die Wahl zwischen artgerechtem Leben in künstlicher Umgebung (mit all seinen Sicherheiten) und artgerechtem Leben in natürlicher Umgebung (mit all seinen Risiken) stellen würde, würden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für ersteres entscheiden. Ich bin mir auch sehr sicher, dass Papageien beispielsweise den nur in freier Wildbahn gebotenen besonderen Kick wie etwa gerade noch unter dem Verlust einiger Federn den Fängen eines Raubvogels entkommen zu sein, bei einem Leben in Menschenobhut nicht missen werden. Nachstehend ein Bild von Wildvögeln die ihre Wahl für eine künstliche Umgebung ganz aus freien Stücken getroffen haben: Sperlinge, die ganzjährig in einem Baumarkt leben.
Was ist denn nun eigentlich artgerecht? Man könnte sagen es ist ein Leben das Geist und Körper eines Lebewesens seinen Fähigkeiten entsprechend beansprucht, nicht zu viel und nicht zu wenig. Für Papageien bedeuted dies vor allem: es darf keine Langeweile aufkommen, es muß mindestens ein arteigener Partner vorhanden sein und es sollte eine Brutmöglickeit vorhanden sein. Großpapageien sind saisonale Brüter, es ist so gut wie sicher, daß sie einmal im Jahr in Brutstimmung kommen, ganz im Gegensatz zu vielen Sittichen, bei denen man dies durch Vermeidung von Brutstimulanzien wie Dauer des Tageslichts oder zu üppiger Ernährung oft erfolgreich verhindern kann.
Wie das Beispiel der Sperlinge zeigt, gehört die Ausgestaltung des Lebensraums, also die Alternative natürlich oder künstlich, bei vielen Tieren nicht unbedingt zu den wesentlichen Kriterien für ein artgerechtes Leben. Zumindest dann nicht, wenn wie bei Papageien wesentliche Teile des Verhaltensrepertoires nicht instinktiv festgelegt sind sondern erlernt werden, denn dies ermöglicht eine Anpassung an einen künstlichen Lebensraum. Für Wildfänge gilt das natürlich nicht, denn sie sind ja unter völlig anderen Bedingungen aufgewachsen und werden daher ja nach Alter mehr oder weniger große Probleme mit dem Leben in Gefangenschaft (hier trifft dieses Wort uneingeschränkt zu) bekommen. Papageien, die in Menschenobhut geboren und aufgewachsen sind, empfinden ein artgerecht gestaltetes Leben in Menschenobhut sicher nicht als Gefangenschaft. Manchmal drehen sie sogar den Spieß um, die Halter werden zu Gefangenen ihrer Vögel, denn Papageien die von Kindesbeinen an im Umgang mit Menschen vertraut sind, lernen recht rasch wie man Menschen beeinflussen und manipulieren kann. Das bekannteste Mittel bei Papageien ist dabei ein besonderes nervtötendes Schreien. Dies ist immer als Alarmsignal für nicht artgerechte Haltung anzusehen, denn Papageien in freier Natur machen dies ebenso wenig wie glücklich verpaarte oder in einer Gruppe lebende Papageien. Papageien mit ausreichender "Menschenerfahrung" haben allerdings wesentlich subtilere Methoden, um ihren Willen durchzusetzen.
Amazonen sind zweifellos nicht zu den besonders leisen Papageien zu rechnen, dies ist bei der Anschaffung einer der wichtigsten Punkte, die zu beachten sind. In der morgendlichen und abendlichen Aktivitätszeit werden auch artgerecht gehaltene Amazonen schon mal lauter. Auch wenn diese Schreiorgien in der Regel nach 15 Minuten beendet sind, sind Amazonen sicher nichts für eine hellhörige Wohnung mit geräuschempfindlichen Nachbarn. Weniger kritisch ist die Situation, wenn die Vögel in einem Raum untergebracht werden können, der nicht unmittelbar an eine Nachbarwohnung grenzt. Kaum Probleme dagegen haben Eigenheimbesitzer, auch wenn eine Außenvoliere, die eigentlich sehr empfehlenswert ist, nicht immer von den Nachbarn toleriert wird. Wer Amazonen langfristig halten möchte, wird aber unabhängig von der Wohnsituation kaum darum herum kommen, die Vögel in einem eigenen Vogelzimmer unterzubringen. Eine Voliere in Wohnräumen ist auch wenn sie den Bestimmungen entspricht (2x1 Meter Grundfläche, 2 Meter Höhe) für einen ausreichenden Freiflug zu klein. Freiflug in reinen Wohnräumen wird aber auch den tolerantesten Halter an seine Grenzen bringen, denn vor Amazonen ist so gut wie nichts sicher. Angenagte Kabel, Fernbedienungen, Bilderrahmen, Türoberkanten oder Möbel, Selbstbedienug in Obstschalen oder umgeworfene Vasen und Blumentöpfe gehören zum Alltag, wenn man die Vögel auch nur wenige Sekunden aus den Augen lässt (was kaum zu vermeiden ist). Oft werden solche Stellen von den Vögeln ganz gezielt angeflogen, denn nichts stellt so rasch die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Halters sicher, eine der bereits angedeuteten etwas subtilieren Methoden von Papageien, Menschen zu beeinflussen.
Ein weiterer Punkt der bei der Anschaffung von Großpapageien zu bedenken ist, ist die bereits zu Beginn angesprochene hohe Lebenserwartung dieser Vögel. Dies führt oft zu der Meinung, daß sich nur jüngere Menschen diese Vögel anschaffen sollten, denn nur so könnten die Vögel ihr Leben lang bei einem Halter bleiben. Ich halte diese Meinung für absolut wirklichkeitsfremd, denn gerade jüngere Menschen können die Lebenssituation der nächsten 30 oder 40 Jahre kaum vorhersehen und schon gar nicht ob sie immer mit der Papageienhaltung zu vereinbaren ist. Daher sind Menschen in mittlerem Alter deren Leben schon in etwas geregelteren Bahnen verläuft, für die Papageienhaltung sicher eher geeignet, auch wenn sie 90 Jahre oder älter werden müssten um ihre Schützlinge zu überleben. So dürften beispielsweise Paare mit Kindern im schulpflichtigen Alter, wohl die idealen Papageienhalter sein. Kinder in diesem Alter haben in der Regel ein großes Interesse an Haustieren, der Umgang mit diesen intelligenten Tieren ist auch sicher lehrreicher und interessanter als mit vielen anderen Heimtieren. Sind die Kinder nach 10 bis 15 Jahren aus dem Haus, so bleibt mit den Papageien immer noch Leben im Haus, außerdem steht dann für die Vögel mehr Platz zur Verfügung. Papageien sind bei richtiger Haltung ausgesprochen fröhliche Gesellen und fordern ihren Halter jeden Tag aufs neue. Die positiven Einflüsse von Haustieren sind ja unbestritten, Menschen mit Haustieren bleiben im Alter aktiver und leben länger. Es ist nicht der Sinn der Papageienhaltung, die Tiere fest an einen bestimmten Menschen zu binden, wie dies bei Handaufzuchten fast unvermeidlich ist, weil ja hier der Vogel im Menschen seinen Partner sieht. Die Vögel sollen Vertrauen zu Menschen haben und auch Spaß am Umgang mit Menschen, sie sollen sie aber keinesfalls als Partner betrachten. Unter diesen Randbedingungen ist auch eine eventuelle Abgabe der Tiere keine Katastrophe, auch Rückrufaktionen aus dem Urlaub weil der Vogel ohne Herrchen oder Frauchen nicht mehr frißt sind dann sicher nicht notwendig. Ein gut gehaltenes Papageienpaar ist auch bei einer Abgabe nach 30 Jahren kein Fall für eine Auffangstation, sondern wird sich an einem neuen Platz relativ problemlos eingewöhnen und auch einem neuen Halter Freude bereiten.