Die Geschichte meiner Zucht beginnt im Jahr 1978 mit dem Kauf einer Panama-Amazone, die wie damals
üblich ein Wildfang und die wie mir erst später klar wurde noch sehr jung war, vermutlich nicht älter
als 6 bis 8 Monate. Ihren Namen gab sie sich selbst, "Lora",
das einzige Wort das sie sagen konnte. In der Quarantäne war sie liebevoll von einer Frau betreut
worden, so war es kein Wunder dass sie vom Verhalten fast mit einer Handaufzucht vergleichbar war.
Daher blieben nach der Geschlechtsreife auch die bekannten Probleme nicht aus, der auf mich
geprägte Vogel versuchte mich zu füttern, während er meine Frau angriff, sie konnte sich
mehrmals nur durch schnelles flach auf den Boden werfen diesen Angriffen entziehen. Ich wollte
unbedingt vermeiden, dass Lora nun tagsüber im Käfig eingesperrt war, denn sie war ja gewohnt,
sich frei im Haus bewegen zu können. So trennte ich als Sofortmaßnahme einen Teil meines Zimmers
mit einer Konstruktion aus Dachlatten und Gitter 19x19 mm ab, sodaß eine Voliere von etwa 4 x 1.5
Metern entstand. Wenn meine Frau das Zimmer betrat, flog Lora sofort an das Gitter und drohte mit
gefächertem Schwanz und flackernden Pupillen. Diese Situation zeigt das nachstehende Bild. Das graue
Brustgefieder wurde übrigens durch ein vorangegangenes Duschbad und nicht etwa durch Rupfen verursacht.
Diese Lösung hatte Bestand bis zu einem Umzug im Jahr 1985. Ich war richtig gerührt
als ich beim Ausräumen des Zimmers eine mit Holzwolle gefüllte Schachtel entfernte, die ich als Schutz vor
Verbißschäden auf einen Schrank gestellt hatte und hier einen sorgfältig gegrabenen Gang entdeckte,
der durch die ganze Schachtel ging und in einer kleinen Höhle endete. Kein Zweifel: Lora wollte für
Nachwuchs sorgen, als Partner hatte sie ganz offensichtlich mich auserkoren.
Im neuen Haus bewohnte Lora dann erst mal mein Computerzimmer. Den Computer deckte ich mit einem Tuch ab, sodaß ausser einem durchgebissenem Mauskabel keine weiteren Schäden entstanden. Nach langer und mühsamer Suche gelang es dann endlich im Jahr 1987 eine Partnerin für Lora zu finden. Obwohl ich meine Kontakte mit Lora nun auf ein Minimum beschränkte sah es lange so aus als würden die beiden Amazonen nie ein Paar, denn wenn ich das Zimmer betrat saßen sie immer getrennt und ignorierten sich völlig. Es verging ein weiteres Jahr ohne dass es irgend einen sichtbaren Fortschritt in Sachen Partnerschaft gegeben hatte. So war es völlig überraschend für mich als ich eins Tages das Zimmer betrat und die beiden Amazonen bei einer Kopulation überraschte. Es hatte sich also doch etwas getan, nur hatten die beiden es geheim gehalten. Als Bruthöhle bekammen sie erst mal wieder eine mit Holzwolle gefüllte Schachtel. Eine richtige Nisthöhle sollten die beiden erst bekommen, wenn ihre endgültige Behausung, ein eigenes Zimmer im im Dachgeschoß fertig war. Tatsächlich brütete das Weibchen in dann den Jahren 1988 und 89 in dieser provisorischen Bruthöhle, die Eier waren jedoch alle unbefruchtet.
Erst im Herbst 1989 konnten dann die Vögel endlich in ihr eigens Zimmer, ausgestattet mit Kletterbaum, Naturstammnisthöhle und einer Bananenpflanze, einziehen. Hier klappte es mit dem Nachwuchs auf Anhieb, 2 gesunde Jungvögel verließen im Mai 1990 die Nisthöhle. Die Tatsache, dass das Männchen sehr zahm war, erwies sich nun als großer Vorteil, denn es erleichterte den Umgang mit den Jungvögeln ungemein, beispielsweise bei Nisthöhlenkontrollen und Rückholaktionen nach den ersten Flugversuchen. So wurden diese Jungvögel fast automatisch zahm, wenn sie auch nicht so extrem anhänglich wurden wie ihr Vater, der auch während der Brutzeit gelegentliche Ausflüge ins Wohnzimmer sehr schätzte. Das weniger zahme Weibchen war von diesen Eskapaden nicht sehr begeistert und versuchte mehrmals, Lora mit Schnabelhieben daran zu hindern auf meine Hand zu klettern.
Mein Brutpaar hatte in 4 Jahren insgesamt 6 Jungvögel großgezogen als das Männchen mitten in der Brutzeit an Herzversagen starb, das Weibchen zog den einzigen geschlüpften Jungvogel allein auf und starb dann kurz darauf ebenfalls. Zum Glück waren alle 6 Jungvögel noch in meinem Besitz, sie bildeten die Grundlage für die Weiterzucht. Zu einem Zeitpunkt, da allgemein noch mit meist sehr scheuen Wildvögeln in Aussenvolieren gezüchtet wurde,
hatte ich zahme aber zuchttaugliche Amazonen zur Verfügung, die das Leben im Haus gewohnt waren.
Handaufzucht, die einige Jahre später geradezu zur Mode wurde, war daher für mich nie ein Thema.
Die einzige Handaufzucht die ich vornahm war ein Notfall (Rupfen), sie dauerte etwa von der 6
Lebenswoche bis zur 12 Lebenswoche. Der Vogel wurde anschließend sofort wieder mit seinen Artgenossen
vergesellschaftet. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte hatte diese kurzfristige Handaufzucht
keinerlei nachteilige Folgen für den Vogel. Er wurde sogar ein hervorragender Zuchtvogel mit dem der
Umgang auch während der Brutzeit nach wie vor äußerst unproblematisch ist.
Die höchst unterschiedlichen Ansichten über Handaufzucht haben sicher nicht nur im
unterschiedlichen individuellen Charakter einer Vogelart oder eines Individuums ihre Ursache,
sondern eben auch im unterschiedlichen Ablauf der Handaufzucht selbst. Papageien die nach der
Handaufzucht sobald wie möglichst wieder mit Artgenossen (damit ist nicht irgend eine Art, sondern
die gleiche Art gemeint) vergesellschaftet werden erlernen nicht nur die arttypischen
Verhaltensweisen, sondern werden auch mit Sicherheit nicht auf Menschen fehlgeprägt. Diese Vögel sind
daher in der Regel auch nach der Geschlechtsreife unproblematisch in der Haltung. Der Hauptfehler der
Handaufzucht ist eigentlich die Kombination Handaufzucht, zu frühe Abgabe des Vogels und
anschließende Einzelhaltung, denn hier ist die Fehlprägung unausweichlich.